Konzept für das Haus am Sälzerhof:
1. Gemeindepsychiatrische Aufgabenstellung:
Das Haus am Sälzerhof ist eine Einrichtung der stationären Eingliederungshilfe für chronisch psychisch kranke bzw. seelisch behinderte Erwachsene. Es erweitert die Möglichkeiten des Ludwig-Noll-Vereins, seinen Beitrag zur Realisierung der gemeinsamen Versorgungsverpflichtung der Träger gemeindepsychiatrischer Hilfsangebote in der Stadt Kassel zu leisten.. Wir nehmen in der Regel Kasseler Bürgerinnen und Bürger zwischen 18 und 65 Jahren auf. Ausnahmen sind nur mit Zustimmung der zuständigen Hilfeplankonferenz möglich.
Das Haus am Sälzerhof ist eine Einrichtung der stationären Eingliederungshilfe für chronisch psychisch kranke bzw. seelisch behinderte Erwachsene. Es erweitert die Möglichkeiten des Ludwig-Noll-Vereins, seinen Beitrag zur Realisierung der gemeinsamen Versorgungsverpflichtung der Träger gemeindepsychiatrischer Hilfsangebote in der Stadt Kassel zu leisten.. Wir nehmen in der Regel Kasseler Bürgerinnen und Bürger zwischen 18 und 65 Jahren auf. Ausnahmen sind nur mit Zustimmung der zuständigen Hilfeplankonferenz möglich.
2. Zielsetzung der Betreuung:
Die bestimmenden Wertorientierungen für die Betreuungsarbeit auch im Haus sind in den „Leitlinien unseres Psychosozialen Zentrums“ (LNV-Info 14/2 vom November 2000, S.9ff.) niedergelegt. Unter Punkt 3 heißt es darin u.a.: „Der Verein, seine Mitglieder und seine Mitarbeiter lassen sich von dem Grundsatz leiten, dass qualitativ hochwertige gemeindepsychiatrische Arbeit sich nur unter strikter Achtung der menschlichen Würde und der Persönlichkeit des einzelnen realisieren lässt. Wir schaffen den Raum und die Möglichkeiten, den Status als Bürger mit all seinen Rechten und Pflichten wahrzunehmen. Das beinhaltet die enge Zusammenarbeit von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern und Betroffenen – auch im Sinne der Konfrontation, Konfliktbearbeitung und Kompromissbildung (‚verhandeln statt behandeln’): Gerade bei Betroffenen, die am meisten Unterstützung brauchen, kann eine ‚Konsumentensouveränität’ nicht vorausgesetzt werden. Es erfordert auch die ständige Bereitschaft, von den Betr offenen zu lernen. Der Verein ist politisch und konfessionell nicht gebunden.“ Unsere Betreuung hat das individuell erreichbare Höchstmaß an psychischer Stabilität sowie an Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Lebensführung zum Ziel. Wir fördern und unterstützen persönliche Entwicklungen, die den Wechsel in eine selbständigere Lebensform möglich machen. Wir bieten aber auch Menschen einen Betreuungsplatz an, die voraussichtlich lebensbegleitend von professionellen Hilfen in einem stationären Rahmen abhängig sein werden. Das Arbeitsprinzip ist: Fördern, ohne zu überfordern. Dazu gehört unsere Bereitschaft, das individuelle Entwicklungstempo und die Grenzen des Erreichbaren zu respektieren, ohne durch eine unterfordernde Betreuung die Entwicklungschancen der Bewohner zu verschlechtern.
3. Die Betreuungsdauer:
richtet sich nach den Erfordernissen des Einzelfalls und – soweit erfüllbar – den Wünschen der Bewohner. Da der zuständige Sozialhilfeträger seine Zusagen auf Kostenübernahme grundsätzlich befristet, erfolgt im Zusammenhang mit jedem Kostenverlängerungsantrag eine externe Überprüfung des weiteren Betreuungsbedarfs.
4. Zielgruppe:
Das Baukonzept, das Grundkonzept der Betreuung im Haus und die Regeln für die Gestaltung des Gemeinschaftslebens (Hausordnung, tagesgestaltende Betreuung) orientieren sich an den fachlichen Erfordernissen von Menschen mit einer chronischen endogenen Psychose. Menschen mit anderen psychiatrischen Erkrankungen oder Persönlichkeitsstörungen können sinnvoll betreut werden, wenn sie von der Hausgemeinschaft und der gemeinsamen Betreuung mit psychosekranken Mitbewohnern profitieren können und deren Belastbarkeit nicht dauerhaft überfordern. Vorrangig aufgenommen werden langfristig stationär in psychiatrischen Kliniken untergebrachte Patienten, die enthospitalisiert werden und die Struktur und den Halt einer Institution brauchen. Das Angebot richtet sich an chronisch psychisch kranke und seelisch behinderte Menschen, die im Betreuten Wohnen in Einzel- oder Kleingruppenwohnungen scheitern: weil es zu niedrigstrukturiert ist; weil in Wohngemeinschaften zu große interne Spannungen entstehen; die eine hohe Betreuungsintensität einschließlich Nachtbereitschaft brauchen; die wegen Verhaltensauffälligkeiten bzw. wegen chronischer Anpassungsstörungen einen beschützten Raum brauchen, um sich wieder in die Gesellschaft integrieren zu können; die intensive Unterstützung und Förderung im Hinblick auf die Grundaufgaben der Alltagsbewältigung benötigen; deren sozialer und beruflicher Rehabilitationsprozeß einer äußeren Struktur und Beziehungskonstanz bedarf, die nur ein Wohnverbund bieten kann (Integration statt Fragmentierung von Hilfsangeboten). Das Haus ist als Einrichtung der Eingliederungshilfe konzipiert. Es kann jedoch offen sein für Menschen über 65 Jahre, wenn für sie die Eingliederungshilfe den Rahmen darstellt, in dem die (Weiter-) Betreuung am besten auf die individuelle Problemlage ausgerichtet werden kann. Hierzu ist kein spezialisiertes Konzept notwendig; ältere Menschen sind als Erwachsene zu betreuen. In Bezug auf Klienten mit chronischen körperlichen Problemen ist die Zusammenarbeit nicht nur mit dem Nerven-, sondern auch mit Hausarzt des/der Betroffenen zu intensivieren. Psychosekranke Menschen mit einer sekundären Suchtproblematik oder der Doppeldiagnose psychische Erkrankung/Suchterkrankung können sinnvoll betreut werden, wenn sie sich auf die Beachtung des Alkohol- und Drogenverbots einlassen, das in der Hausordnung festgelegt ist. Forensische Patienten können sinnvoll betreut werden, wenn ihre psychische Erkrankung medikamentös wirksam behandelt werden kann, und wenn die fachlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Weiterbetreuung in einer offenen Einrichtung gegeben sind. Bei psychisch kranken Menschen, die zugleich wegen einer körperlichen Erkrankung oder Behinderung pflegerische Leistungen benötigen, muß im Einzelfall geprüft werden, ob die personelle und sächliche Ausstattung des Hauses eine fachgerechte pflegerische Versorgung zulässt.
5. Wohnlage:
Am Rand des alten Dorfkerns von Kassel-Bettenhausen gelegen, fünf Minuten von der nächsten Bushaltestelle und sieben Minuten von der Leipziger Straße mit ihren Straßenbahnhaltestellen und Einkaufsmöglichkeiten entfernt, bietet das Haus am Sälzerhof eine recht ruhige, also nicht überstimulierende, gleichwohl innenstadtnahe Wohnlage. Die Außenstelle unseres Psychosozialen Zentrums in der Agathofstraße 48 mit dem Gruppentreffpunkt der Selbsthilfegruppe „die Nollis“ liegt etwa 300 m entfernt. Auch zwei unserer Betreuten Wohngemeinschaften und die Wohnungen mehrerer Klienten des Betreuten Einzelwohnens sind zu Fuß mühelos zu erreichen, so daß wir Übergänge zu ambulanten Betreuungsformen innerhalb der vertrauten sozialen Bezüge im Stadtteil ermöglichen können (Wohnverbund, siehe dazu unten).
6. Das Haus:
Bei psychosekranken Menschen besteht eine Nähe-Distanz-Regulationsschwäche: zu große Nähe, die mit hohen kommunikativen und affektiven Anforderungen einhergeht, führt häufig zum Rückfall. Es kommt darauf an, entsprechend der Verletzlichkeit (Vulnerabilität) der Psychosekranken sie vor zu stark ausgedrückten Gefühlen (vgl. Konzept expressed emotions) auch untereinander zu schützen, und ihnen gleichzeitig die Möglichkeit zur sozialen Kommunikation zu geben. In Langzeit-Verlaufsstudien werden übereinstimmend z. T. überraschend positive Entwicklungen der Persönlichkeit und des Krankheitsverlaufs beschrieben, wenn es gelingt, sowohl die Unterforderung in sozialer Isolation als auch die Überforderung durch unkontrollierbar intensive Kontakte zu vermeiden. Um Ich-Autonomie erwerben zu können, müssen die Betroffenen mitentscheiden können, wie viel soziale Anforderung und Nähe sie im Wechselspiel von Kontakt und Distanz jeweils auszuhalten in der Lage sind. Deshalb enthält unser Haus 12 Einzelappartementwohnungen in ausreichender Größe als verläßlich verfügbare Rückzugsräume (, die i. S. einer "eigenen Wohnung" autonomiefördernd sind, ) und Gemeinschaftsräume, so daß ein entwicklungsförderndes Verhältnis von Reizschutz und Einbindung in die Gemeinschaft hergestellt werden kann. Für jeden der 12 Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses am Sälzerhof steht ein ebenerdiges Einzelappartement (22 bzw. 26 Quadratmeter) mit kleiner Küche, eigener Naßzelle, Klingel, individuellem Briefkasten, TV-Anschluß und Telefon zur Verfügung. Jeder Bewohner bekommt beim Einzug einen Haus-, Briefkasten- und Appartementschlüssel ausgehändigt. Zusätzlich gibt es einen Kurzzeit-Betreuungsplatz, der auch Probewohnen ermöglicht. Zwei Appartements sind rollstuhlgerecht gebaut. Zum Haus gehören zwei Gemeinschaftsräume, davon einer mit Gemeinschaftsküche, ein Wintergarten, eine Waschküche mit Waschmaschine und Trockner sowie ein großer Garten mit Freisitz, Pavillon und Grillanlage. Im Baukonzept haben wir einen Kompromiß verwirklicht zwischen den Anliegen, den Bewohnern einen möglichst großzügigen Gemeinschaftsbereich zur Verfügung zu stellen, und ihnen eine eigene Wohnung zu bieten, die üblichen Standards des Alleinlebens entspricht – als Rückzugszone, wenn die Gruppe zu viel Nähe mit sich bringt, und als Lernchance für selbständigeres Wohnen. Für Großeinkäufe und Fahrten mit den Bewohnern steht ein Kleinbus zur Verfügung. Das Betreuungsteam wird durch den Hausmeister/Fahrer und die Reinigungskräfte ergänzt, die in ihren Zuständigkeitsfeldern auch den Bewohnern behilflich sind, soweit Selbsthilfe den Betroffenen nicht möglich ist.
7. Lernziel Wohnen:
Für die Betreuung ist der möglichst selbständige und eigenverantwortliche Umgang der Bewohner mit dem individuellen Wohnbereich allerdings ein Ziel; er wird nicht vorausgesetzt. Deshalb haben die betreuenden Mitarbeiter die oberste Schlüsselgewalt: sie sind gehalten, den Privatbereich der Bewohner soweit wie möglich zu respektieren; sie sind aber befugt, die Appartements auch in Abwesenheit des Bewohners oder ohne seine Erlaubnis zu betreten, wenn Erfordernisse der Hygiene, der Einzelbetreuung (z.B. Weckdienst als Hilfestellung zur Normalisierung des Tag-Nacht-Rhythmus) oder des Gemeinschaftslebens (z.B. Geschirr und Besteck aus dem Gemeinschaftsbereich bleibt in einem Einzel-Appartement und wird nicht zurückgegeben) es notwendig erscheinen lassen, oder wenn eine Gefahrensituation vermutet wird.
8. Konfliktmanagement:
Im Konfliktfall stehen den Bewohnern und ihren gesetzlichen Betreuern oder anderen Bezugspersonen die vereinsinternen Beschwerdemöglichkeiten beim fachlichen Leiter des Psychosozialen Zentrums oder dem Geschäftsführer, als nächster Instanz beim Vereinsvorsitzenden offen. Externe Beschwerdestellen sind die Sozialpsychiatrische Beratungsstelle beim Gesundheitsamt sowie die Heimaufsichtsbehörde. Der Heimbeirat unterstützt die Bewohner in ihren Anliegen.
9. Gesetzliche Anforderungen:
Das Haus am Sälzerhof arbeitet auf der Grundlage des Heimgesetzes und der Rechtsverordnungen, die es ergänzen und präzisieren. Daraus ergeben sich Verpflichtungen hinsichtlich der Mitwirkung und Mitbestimmung der Bewohner, der Hygienestandards, des Brandschutzes, der Unfallvermeidung, der Lagerung von verderblichen Gütern und Medikamenten, der Ausstattung, der Mitarbeiterqualifikation, der Dokumentation, der Versorgung mit Lebensmitteln, Getränken und Gegenständen des täglichen Bedarfs. In den Bereichen Sicherheit und Hygiene sind die gesetzlich festgelegten Qualitätsstandards so hoch, daß wir darüber hinaus keine eigenen formulieren müssen. Die Überwachung ihrer Einhaltung erfolgt durch den Sicherheits- und den Hygienebeauftragten. Letzterer ist auch für die Erstellung und Fortschreibung des Hygieneplans verantwortlich. Sie werden vom betriebsärztlichen Dienst beraten. Auch mit der Medikamentenverwaltung ist eine Pflegefachkraft eigens beauftragt. Die ordnungsgemäße Lagerung von Medikamenten wird durch die liefernde Apotheke aufgrund eines Kooperationsvertrages überprüft. Beim Bau des Hauses wurden die aktuellen Unfallverhütungs- und Brandschutzvorschriften angewendet. Das Haus ist mit Rauchmeldern und einer modernen Brandmeldeanlage ausgestattet.
10. Ärztliche Versorgung:
Die haus- und nervenärztliche Versorgung der Hausbewohner ist durch die Kooperationsabsprache mit einer Allgemeinärztin und eine regelmäßige Sprechstunde der Institutsambulanz des Ludwig- Noll-Krankenhauses, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums Kassel, abgesichert. Das Ludwig-Noll-Krankenhaus ist auch die zuständige Psychiatrische Klinik. Den Bewohnern steht es dabei frei, Ärzte ihrer Wahl in Anspruch zu nehmen, und die Mitarbeiter sind gehalten, auch bei der ambulanten ärztlichen Versorgung die Beziehungskontinuität zu fördern. Für Hausbewohner aus der Forensischen Psychiatrie bleibt die Institutsambulanz der Klinik für Forensische Psychiatrie Haina zuständig. Die Teamzusammensetzung erlaubt uns, in gewissen Grenzen auch pflegerische Leistungen für körperlich erkrankte oder körperbehinderte Bewohner zu erbringen. Eine Inkontinenz-Versorgung ist nicht möglich.
11. Nachtbereitschaft:
Zwischen 19.15 und 7.45 Uhr ist eine Nachtbereitschaft im Haus. Diese kann ihrerseits bei Bedarf den Hintergrundsdienst (Rufbereitschaft) einschalten, der von Fachkräften geleistet wird. Die Nachtbereitschaftskräfte sind zur Teilnahme an einer monatlichen Dienstbesprechung verpflichtet, welche Fallbesprechungen und die Besprechung fachlicher Fragen der Betreuung mit dem fachlichen Leiter des Psychosozialen Zentrums einschließt.
12. Multiprofessionelles Team:
Die Betreuung am Tage wird von einem mindestens fünfköpfigen Team geleistet, bestehend aus SozialpädagogInnen, Altenpfleger und möglichst einer Fach-Krankenpflegekraft Psychiatrie. Der fachliche Leiter des Psychosozialen Zentrums, Diplom-Psychologe, ist regelmäßig zu Fallbesprechungen im Team anwesend. Die enge Zusammenarbeit mit der Institutsambulanz des Ludwig-Noll-Krankenhauses beinhaltet, daß fachärztliche Gesichtspunkte kontinuierlich in die Wahrnehmung der Bewohner einfließen.
13. Dienstplan:
Der Dienstplan umfaßt Betreuungsdienst von 7.30 bis 19.30 Uhr an den Werktagen (montags bis freitags) und von 10.00 bis 18.00 Uhr an Wochenenden und Feiertagen sowie den Nachtbereitschaftsdienst von 19.15 bis 7.45 an allen sieben Wochentagen. An Wochenenden und Feiertagen sind die diensthabenden Mitarbeiter zwischen 7.30 Uhr und 10.00 Uhr sowie zwischen 18.00 Uhr und 19.30 Uhr in Rufbereitschaft. Am Dienstbeginn und Dienstende ist für jeden Mitarbeiter eine Übergabezeit eingeplant. An den Wochenenden erfolgen die Übergaben mit der Nachtbereitschaft schriftlich – bei Bedarf ergänzt durch eine telefonische Rücksprache. Neben der Übergabe wird der interne Informationsfluß durch die fortlaufende klientenbezogene Dokumentation, die fortlaufende Ereignisdokumentation und die Dokumentation der Medikamentenausgabe abgesichert.
14. Bezugsbetreuung:
Jedem Bewohner ist ein Bezugsbetreuer zur Seite gestellt, der als Ansprechpartner und Helfer für die persönlichen Anliegen da ist – außerdem für die klientenbezogene Dokumentation und Antragstellung, die Umsetzung und Weiterentwicklung des Förder- und Betreuungskonzepts mit dem Bewohner sowie die Zusammenarbeit mit gesetzlichen Betreuern, behandelnden Ärzten, Angehörigen und anderen Bezugspersonen des Bewohners.
15. Angehörige:
Die Zusammenarbeit der Haus-Mitarbeiter mit den Angehörigen erfolgt im Auftrag und in Absprache mit den Bewohnern. Um Rolleneindeutigkeit zu bewahren und Loyalitätskonflikte der Betreuer zu vermeiden, trennen wir die Beratung der Angehörigen hinsichtlich ihrer eigenen Schwierigkeiten und Belastungen von der Betreuung der Bewohner ab; die Angehörigenberatung obliegt der Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstelle.
16. Vernetzung:
Das Haus am Sälzerhof ist Bestandteil des Psychosozialen Zentrums. Die „Leitlinien unseres Psychosozialen Zentrums“ und die „Qualitäts-Standards für das Psychosoziale Zentrum“ sind auch verbindlich für das Qualitätskonzept der Betreuung im Hause. Die gemeinsame fachliche Leitung, Geschäftsführung und Verwaltung sowie abteilungsübergreifende Dienstbesprechungen (Wohnverbundsbesprechung, Gesamt-Team-Besprechung) sichern den Informationsfluß und die Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsbereichen.
17. Kompensatorische Hilfen:
Im Haus am Sälzerhof werden Menschen betreut, deren Fähigkeiten zur Selbstversorgung insgesamt stärker beeinträchtigt sind, als es z.B. im Betreuten Wohnen in der Regel der Fall ist. Deshalb stellen wir ihre Ernährung, die Getränkeversorgung sowie die Sauberkeit auf dem Grundstück und im Haus – bei Bedarf auch in den Bewohner-Appartements – sicher; übernehmen wir, soweit erforderlich, die Organisation der Arztkontakte und die Einteilung und Ausgabe der Medikamente (die Medikamenteneinteilung erfolgt zusammen mit den Betroffenen im Sinne eines Medikamententrainings), übernehmen die betreuenden Mitarbeiter die Aufsichtsfunktion im Hause, so daß Verwahrlosungstendenzen oder destruktives und grenzverletzendes Verhalten rasch zum Gegenstand der sozialtherapeutischen Auseinandersetzung werden und die Mitbewohner geschützt werden können; sind wir bei Bedarf und in Absprache mit den zuständigen gesetzlichen Betreuern bei der Geldeinteilung behilflich.
18. Aufnahme:
Das Aufnahmeverfahren schließt mindestens ein Vor- und Informationsgespräch mit Hausbesichtigung, die Vorklärung der Betreuungsindikation, die Beantragung der Kostenübernahme und in der Regel eine 14-tägige Probewohnphase mit ein. Um die Informationen sammeln zu können, die erforderlich sind, um die Notwendigkeit der stationären Betreuung beurteilen und eine vorläufige Einschätzung des individuellen Hilfebedarfs gewinnen zu können, bitten wir die Interessenten stets auch um eine Schweigepflichtsentbindung für wichtige bisherige Bezugspersonen. Die Klärung unserer Aufnahmebereitschaft fällt in einer Fallbesprechung nach Beendigung des Probewohnens unter Beteiligung der Bereichsleitung des Psychosozialen Zentrums. Das Probewohnen kann beginnen, wenn die Kostenübernahme gesichert ist. Da die Voraussetzungen für die Kostenbewilligung des Probewohnens identisch mit denen für die Aufnahme ins Haus sind, ermöglicht das Probewohnen eine Indikations- und Motivationsklärung ohne Verzögerung der Aufnahme durch doppelte Antragsbearbeitung.
19. Anforderungen:
Die notwendigen Mindestanforderungen an die Bewohner sind, daß, jemand bereit und mit Hilfestellung in der Lage ist, ärztliche Verordnungen einzuhalten, daß er/sie bereit ist, die Teilhabe an der Gemeinschaft, auch im Sinne der Beteiligung an der gemeinsamen Hausarbeit, der Rücksichtnahme auf Mitbewohner und der Respektierung ihres Privatbereichs zu erlernen. daß er/sie bereit ist, die Hausordnung anzuerkennen sowie das Eigentum des Ludwig-Noll-Vereins und der Mitbewohner zu respektieren.
20. Individuelle Förderung:
Beginnend mit der Klärung der Betreuungsindikation im Aufnahmeverfahren wird für und mit jedem Bewohner ein individuelles Betreuungs- und Förderkonzept erarbeitet und fortgeschrieben. Vor allem im Bereich der tagesgestaltenden Betreuung bzw. der Arbeitsrehabilitation umfaßt das Förderkonzept auch Maßnahmen außerhalb des Hauses (z.B. Tagesstätte, WfB), wenn dadurch Unterforderung vermieden und/oder den persönlichen Zielen des Bewohners besser Rechnung getragen werden kann. Instrumente der Förderplanung und ihrer Umsetzung sind vor allem die Zusammenarbeit des Bewohners mit seinem Bezugsbetreuer und die Förderplanbesprechungen im Betreuungsteam, in denen die Entwicklung jedes Bewohners etwa halbjährlich durchgesprochen wird. Der Bezugsbetreuer bzw. die Bezugsbetreuerin ist verantwortlich dafür, daß die Wünsche und Vorstellungen des Bewohners und die Gesichtspunkte zur Geltung kommen, die von Dritten – vor allem dem ambulant behandelnden Psychiater und dem gesetzlichen Betreuer – eingebracht werden.
21. Tagesgestaltende Betreuung:
Die Anleitung zur Bewältigung alltags- und lebenspraktischer Fragen im Sinne einer Einübung ins Wohnen (Mitarbeit an der gemeinsamen Essensversorgung, Aufräumen/Putzen, Gartenpflege etc., Medikamententraining) stehen im Vordergrund der tagesgestaltenden Betreuung. Dazu kommen Aktivitäten, die zu einer verbesserten Lebensqualität anregen: körperliche Betätigung (Schwimmen, Spaziergänge, Einkaufen etc.), gemeinsame Freizeitgestaltung und kreatives Gestalten, Ermutigung zur Nutzung der Kontakt- und Freizeitgestaltungsmöglichkeiten, die der Stadtteil und das Psychosoziale Zentrum zu bieten haben.
22. Zusammenleben in der Hausgemeinschaft:
Was die Bewohner als Gruppe betrifft, so ist unser wichtigstes Betreuungsziel die Entwicklung eines guten nachbarschaftlichen Miteinander. Dazu gehört die Wahrnehmung der Bedürfnisse der Mitbewohner und die Rücksichtnahme auf sie, der Respekt vor den Grenzen, dem Eigentum und dem Privatbereich der Mitbewohner sowie die Mitverantwortung jedes einzelnen für die Qualität des Gemeinschaftslebens (gemeinsame Mahlzeiten, Ordnung und Sauberkeit im Gemeinschaftsbereich, Vermeidung von Ruhestörungen etc.). Die wichtigsten Instrumente der Förderung der Gemeinschaftsfähigkeit sind die Hausordnung, die Absprachen, die in den Morgenbesprechungen und der monatlichen Hausversammlung getroffen werden, die Gemeinschaftsdienste, die Gruppenaktivitäten, die Betreuer-Interventionen bei Konflikten und die Aufsichtsfunktion der Betreuer. Für die Regeln des Zusammenlebens gilt, daß sie transparent, nachvollziehbar begründet, dem Normalitätsprinzip verpflichtet und mit den Betroffenen abgesprochen sein müssen.
23. Beendigung:
Im Fall der Betreuungsbeendigung bleiben wir in der Verantwortung, bis geklärt ist, wie es für den Bewohner weitergehen wird.
24. Verhandeln statt Behandeln:
Nach diesem Prinzip werden die Bewohner in alle Entscheidungen einbezogen, von denen sie betroffen sind, wobei es Mehrheitsentscheidungen geben kann, wenn es um Belange der ganzen Gruppe geht (z.B. Essensplanung). Die tägliche Morgenrunde nach dem Frühstück und die monatliche Hausversammlung sind neben dem Heimbeirat als Orte der Mitsprache und Mitbestimmung institutionalisiert.
25. Wohnverbund:
Die Betreuung der Hausbewohner schließt die Unterstützung und Förderung der Nutzung der Kontaktmöglichkeiten und Dienstleistungen ein, die der Stadtteil sowie das Psychosoziale Zentrum(PSZ) außerhalb des Hauses bietet. Das PSZ in der Frankfurter Straße mit seiner Außenstelle und dem Gruppentreffpunkt in der Agathofstr. 48 bildet eine Brücke, die den Hausbewohnern die Integration in die Gemeinde erleichtern kann. Mögliche Betreuungsziele können zum Beispiel sein: regelmäßige Außenkontakte von Bewohnern im Freizeitbereich, die Verlagerung der tagesgestaltenden Betreuung „nach draußen“ (Tagesstätte, WfB) oder der Umzug in eine Privatwohnung (ggf. mit Betreutem Wohnen) – ggf. bei weiterer Teilnahme am tagesgestaltenden Angebot des Hauses. Umgekehrt bietet das Haus den Klientinnen und Klienten des Betreuten Wohnens die Möglichkeit, bei entsprechender Veränderung ihres Hilfebedarfs auf einen Wohnheimplatz zu wechseln, ohne daß ihnen die vertrauten Betreuungsbezüge und Sozialkontakte verlorengehen. Das „Gästezimmer“, d.h. der Kurzzeitbetreuungsplatz wird bei Bedarf auch von ambulanten Klienten des Ludwig-Noll-Vereins genutzt – z.B. wenn sie während einer Wohnungsrenovierung vorübergehend anderswo untergebracht werden müssen. Die Kooperation zwischen dem Haus, der Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstelle und dem Betreuten Wohnen haben wir institutionalisiert durch eine vierzehntägige gemeinsame Dienstbesprechung des Teams der Außenstelle des Psychosozialen Zentrums mit der Hausleitung und durch die Mitarbeit von Mitarbeitern des ambulanten Bereichs im Hintergrundsdienst für die Nachtbereitschaft und in der tagesgestaltenden Gruppenbetreuung im Hause.
26. Umgang mit Krisen:
Wir müssen bei jedem Klienten davon ausgehen, daß die Betreuungsroutine mehr oder weniger häufig und intensiv von Krisen unterbrochen wird. Wir betrachten Krisen als normale Bestandteile menschlicher Entwicklung. Sie beinhalten besondere Risiken, bieten aber in der Regel auch besondere Chancen zu konstruktiven Veränderungen. Unser Vorgehen bei der Krisenhilfe umfaßt: Rasche Klärung mit dem Kl., wie er sich am besten schützen, Ruhe und Schlaf finden kann. einzelfallbezogene Absprachen über zusätzliche Betreuungskontakte, Aufsuchen eines Arztes oder stationäre Behandlung. In der Nachbearbeitung ist darauf zu achten, daß die Krise und ihre Ursachen weiterbesprochen werden, auch wenn es dem Betroffenen wieder gutgeht.
27. Mitarbeiter-Fortbildung:
Wir fördern die Teilnahme der Hausmitarbeiter an den Fortbildungen des Vereins und des Ludwig-Noll-Krankenhauses. Individuelle Fort- und Weiterbildungen der Mitarbeiter werden vom Ludwig-Noll-Verein unterstützt. Die Teilnahme an der vierzehntägigen Supervision ist für die Mitarbeiter des Betreuungsteams verpflichtend.
Kassel, den 15.8.2020